Cristina Simion. Foto: Cristina Galler

Wir befinden uns zu Besuch in der Kunstgalerie Tiny Griffon in Nürnberg und sprechen mit Frau Dr. Cristina Simion, Galeristin und Kuratorin vieler hier organisierten Ausstellungen. Die Galerie ist umgezogen, in einen kleineren Raum, der – so sagt uns die Galeristin – den Besuchern mehr Flexibilität erlaubt,  ihnen mehr entgegenkommt.

Vor kurzem bekam unsere Galerie eine neue Organisationsform: Aus einer, zumindest von der Rechtsform her, kommerziellen Galerie verwandelte sie sich in eine Non-Profit-Galerie, auf gut Deutsch: in eine „gemeinnützige Gesellschaft.“ Das bedeutet, dass der Druck verschwindet, aus unserer Tätigkeit Profit zu schlagen, vor allem, weil es so schwer ist, einen Profit aus Kultur und Kunst zu erzielen, insbesondere aus der Kunst. Es bleibt die Leidenschaft, den Interessierten ein besseres Kennenlernen der osteuropäischen Kunst und Kultur zu bieten, im Besonderen der Kunst und Kultur aus Rumänien, wie auch die Möglichkeit, Künstler rumänischer Herkunft oder solche, die ein künstlerisches Interesse an Rumänien haben, zu fördern, zuweilen in Kooperation mit Künstlern aus anderen Ecken Europas oder aber in Kooperation mit deutschen Künstlern von hier, aus Nürnberg. Wenn wir etwas in Kooperation mit deutschen Künstlern präsentieren, dann haben wir die Chance eines Publikums, das sonst nicht eigens an rumänischer Kunst interessiert ist.

Jürgen van Buer, Eine feste Burg… Kirchenburgen in Siebenbürgen.

Außerdem habe ich herausgefunden, dass, wenn wir etwas in einem öffentlichen Raum ausstellen, wir ein zahlreicheres Publikum haben, als seinerzeit, als die Galerie mit einem öffentlichen Zeitplan geöffnet war. Weil, auf eine ganz natürliche Art und Weise, kommen die Menschen nicht unbedingt der Ausstellung wegen, sie entdecken die Ausstellung und sie interessiert sie, sie bringen ihre Freunde und Bekannten mit und fühlen sich entspannter, eine Ausstellung in einem nicht-kommerziellen Raum zu besuchen, wie zum Beispiel in einem Museum, einer öffentlichen Galerie, einer Kirche, als dann, wenn sie eine kommerzielle Galerie betreten und vermutlich den Druck verspüren, etwas zu erwerben oder auch eine gewisse Zurückhaltung, die mit dem Gedanken verbunden ist, als potentielle Kunden betrachtet zu werden.

Gustav-Adolf-Gedächtniskirche

Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich eine große Ausstellung eines Fotokünstlers aus Berlin, Professor an der Humboldt Universität, Prof. Dr. h.c. Jürgen van Buer, über die Kirchenburgen in Siebenbürgen in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche, einer großen Kirche hier in Nürnberg. Die Ausstellung war Bestandteil einer Aufeinanderfolge von Ereignissen; Vesperkirche – in der das Maßgebliche war, dass die Kirche für Jedermann tagsüber geöffnet war, und dies in einem Zeitraum von vierzig Tagen, und dass ein Mittagstisch in Wert von einem Euro für Bedürftige aufgetragen wurde. Wichtig vor allem zur Winterzeit, wo ich glaube, dass das eine große Hilfe für die Bedürftigen war. Allerdings habe ich nicht nur Bedürftige da gesehen, es kamen auch Menschen, die von Neugier getrieben waren oder vielleicht vom Angebot, eine warme Mahlzeit für einen Euro zu bekommen, und es kamen auch Leute, die von den begleitenden Veranstaltungen angezogen waren – Konzerte, Vorträge, Lesungen, Theaterstücke – und eben diese Ausstellung. Jede dieser Veranstaltungen war gemeinnützig, es wurde gespendet, um dieses soziale Programm zu unterstützen. Ein großes Netz von ehrenamtlichen Helfern hat für das Vorbereiten der Mahlzeiten und beim Bedienen mitgewirkt, das war eine  logistische Riesenarbeit, mit vielen Sponsoren, darunter auch das Bürgermeisteramt. Solche Events bringen mehr Menschen zusammen als jene, die früher in die Galerie kamen. Jetzt können wir auf einmal weniger Menschen als früher in unserer Galerie aufnehmen, weil wir by invitation only (nur auf Einladung) oder by appointment only (nur nach Vereinbarung) arbeiten, das heißt, wir haben kein öffentliches Programm mehr. Jene, die ein Treffen festsetzen, sind tatsächlich interessiert, entweder am Künstler persönlich oder an den Sujets, die wir vorstellen.

Anamaria Avram. Daily Reveries.
Jürgen van Buer, Corona – die Stadt im Osten. Mit Josef Balasz.

Heuer haben wir eine Ausstellung Anamaria Avram; Daily Reveries, nennt sie sich, sie ist praktisch von einer Galerie aus Leipzig übernommen worden und wird nach Istanbul, zum Rumänischen Kulturinstitut ziehen, zusammen mit einigen Werken von größeren Maßstäben, die in unserer Galerie nicht ausgestellt wurden. Die Ausstellung hat den Kaffee als Thema, den Kaffee(satz) als Botschafter der Vorsehung, des Schicksals – eine sehr interessante Betrachtungsweise.

Vorher hatten wir eine Ausstellung des bereits genannten Fotokünstlers Jürgen van Buer über Braşov (Kronstadt), mit dem Titel Corona – die Stadt im Osten. Corona ist der lateinische Name Kronstadts. Es sind viele interessierte Leute gekommen, viele, die nicht nur an der Fotokunst interessiert waren, sondern auch solche, die ihre Wurzeln in Kronstadt haben und die, in irgendeiner Art und Weise, Gebäude, Räume, bekannte Ecken ihrer Kindheit, ihres Heranwachsens, ihrer Jugend wiederfinden wollten. Das heißt, ich hatte viele Kronstädter zu Besuch, die mehr oder weniger an der Fotografie als Kunstrichtung interessiert waren, die sich aber wünschten, diese Ausstellung zu sehen. Ich hatte aber auch Besucher, die eine Leidenschaft für die Fotokunst haben, die die feinen Details in der Schwarz-Weiß-Fotografie von Jürgen van Buer schätzten und Fotografien erworben haben. Und es gab auch viele, denen das Sujet gefallen hat und die den Erinnerungen zuliebe, die sie mit Brasov/Kronstadt/Corona verbinden, gekommen sind.

Und jene, die die Ausstellung mit den Kirchenburgen in der Vesperkirche gesehen haben und die bisher nichts über Rumänien wussten, wie haben sie diese Fotografien wahrgenommen?

Es war eine wunderbare und außergewöhnliche Gelegenheit, Siebenbürgen als touristisches Ziel vorzustellen; wir hatten drei Führungen, zwei, die vom anderen Kurator dieser Ausstellung in die Wege geleitet wurden, Herrn Josef Balazs, Initiator dieses Projekts, und eine, die Herr Jürgen van Buer persönlich realisiert hat, der deswegen extra aus Berlin angereist war. Sie hatten einen großen Erfolg, und am Ende einer solchen Führung hatten wir mindestens zwei Personen, die uns gesagt haben, dass sie nach Siebenbürgen reisen wollen – die eine kam sogar mit dem Angebot eines Reisebüros, das den Vorschlag einer Rundreise durch Rumänien initiiert hat. Sie sagte uns, dass diese Ausstellung sie überzeugt habe, sich für diese Rundreise einzuschreiben.

Es hat sich ein sehr positives Bild Rumäniens und Siebenbürgens als touristisches Ziel ergeben, allerdings war es auch für viele Menschen eine Gelegenheit, Neues zu erfahren über Dinge, von denen sie nicht wussten. So, zum Beispiel, dass viele der siebenbürgischen Kirchenburgen kurze Zeit nach der Geburt des Protestantismus gebaut wurden. Ihre Anzahl – es waren mehr als hundert – ist ebenfalls beeindruckend. Der Briefwechsel zwischen Martin Luther und Johannes Honterus, sowie die Bedeutung Honterus für die Protestanten auf dem Territorium Siebenbürgens, ist in Deutschland auch wenig bekannt. Es waren viele Themen, die in Verbindung mit den Fotografien von Jürgen van Buer angesprochen wurden, geschichtliche Themen, geografische, religiöse, besser gesagt, Themen aus der Geschichte des europäischen Christentums, die zur Allgemeinbildung gehören. Und es hat mir Spaß und Freude bereitet, mitanzusehen, dass die Menschen Interesse zeigen, Fragen gestellt haben, von sehr nüchternen, wie die über die Zweckhaftigkeit von Gegenständen, die ihnen merkwürdig erschienen, wie etwa die Kammern jeder Familie, die wie eine Klause errichtet waren, ein Bestandteil der Mauer dieser Kirchenburg, und den Nutzen, den diese Kammern hatten, bis zu Fragen über alte Gegenstände, die heutzutage kaum mehr Entsprechung finden oder kaum einen Gebrauch, von der Spindel bis zum Spinnrad oder Webstuhl –  bis zu philosophischen Fragen, die Herr van Buer und Herr Balazs mit Schlagfertigkeit und Geduld beantwortet haben.

Bevor du nach Deutschland gekommen bist, hattest du eine erfolgreiche Karriere im Bereich der Presse. Ich möchte dich fragen, wie kamst du zum Entschluss, dich von nun an mit einer Kunstgalerie zu beschäftigen?

Cristina Simion

In einer wenig empfehlenswerten Art und Weise, und zwar aus Leidenschaft. Im Allgemeinen, wenn du ein Geschäft startest, musst du über alle Risikofaktoren gut informiert sein – nicht weniger über alle Faktoren des Bereichs, der Domäne. Und ich gebe zu, ich war nicht sehr gut informiert. Jene, die etwas aus Leidenschaft angehen, haben wahrscheinlich die Tendenz, die Risikofaktoren zu ignorieren. Ich habe meine Tätigkeit nicht von Anfang an als Geschäft betrachtet, sondern wie eine Leidenschaft, und das hat mir Freunde gebracht und Interesse vonseiten der Menschen. Wenn ich auch vorläufig nicht sagen kann, dass die Galerie als ein Geschäft startete, glaube ich, dass sie für längere Zeit eine Formel gefunden hat, die Beistand findet. Das ist wohl das Wichtigste, die Kontinuität. Und das – sowohl für die Gemeinde hier, die an Kunst und Kultur aus Rumänien interessiert ist, die Wurzeln in Rumänien hat, als auch für die Liebhaber moderner Kunst, die interessante Dinge sehen wollen, unabhängig von ihrer Herkunft, aber auch für die Behörden, die an der Unterstützung einer hochwertigen künstlerischen Tätigkeit auf lokaler Ebene interessiert sind, mit oder ohne Verbindung mit dem geografischen Umfeld, aus dem die Künstler stammen. Ich freue mich, nicht nur bildende Künstler zu fördern, sondern auch andere Aktivitäten zu haben, die mit Kultur zusammenhängen. Ich fördere Künstler, die in der Galerie musizieren, ich habe runde Tische organisiert und Konferenzen, ich selber war Vorleserin in der Stadtbibliothek in der Reihe, die sich Gast und Buch nennt. Ich habe aus den Memoiren Peggy Guggenheims gelesen, über ihre Beziehung zu Constantin Brâncuşi und Victor Brauner, und habe viele interessierte Menschen erlebt.

Im Augenblick bin ich „Teil“ einer Wanderausstellung mit dem Titel Gegenstände im Exil, die aus einer Serie von Nummern mit diesem Thema, veröffentlicht in der Zeitschrift Dacia Literara (Literarisches Dakien), entstanden ist. Die Ausstellung wurde zum ersten Mal im Rahmen der „Tage der Literatur und Übersetzung“ in Chur, in der  Schweiz, vorgestellt und wird eine Zweitvorstellung im September in Paris haben. In einer Reihe von Interviews, die die Grundlage dieser Ausstellung sind, wurden Menschen interviewt, die Rumänien zu verschiedenen Zeitpunkten verlassen haben. Das Thema waren die Gegenstände, an die sie sich gebunden fühlen, von den Gegenständen, die sie bei der Ausreise mitgenommen haben, bis zur Definition des Terminus „Zuhause“, eine persönliche Definition für jedermann. Die Gegenstände „im Exil“ waren und sind nicht nur Gegenstände aus der Kindheit, aus der Jugend, aus der „verlorenen Zeit“, die aus Rumänien mitgenommen wurden, sondern auch Gegenstände die uns gegenwärtig umgeben.

Ich glaube, dass die Künstler einen zusätzlichen Sinn haben, der ihnen dazu verhilft, die Welt anders zu sehen, und die Wiedergabe dieser Vision in der Kunst bereichert uns alle.

Die Leidenschaft für die Kunst, die dich dazu veranlasst hat, das Abenteuer dieser Galerie zu wagen, ist es eine alte, die ihren Ursprung in der Kindheit hat? Gab es Künstler in deiner Familie?

Cristina Simion

Wir hatten keine Künstler in der Familie, nur ein Interesse für Kunst. Mein Vater ist vor allem an Künstlern interessiert, mehr als an der Kunst, an sich, vielleicht sage ich das in einer Art, die – und das wäre unverdient – nicht schätzend klingt, weil unsere Geschmäcker, was Kunst betrifft, verschieden sind. Er hat viele Jahre lang Künstlerkolonien in Rumänien organisiert und betreut, und so hatte ich die Gelegenheit, ziemlich viele Künstler kennen zu lernen. Außerdem habe ich schon sehr früh damit begonnen, gegenwärtige Kunst zu sammeln, mit sehr bescheidenen Ambitionen, und – und das nicht zuletzt – habe ich es geliebt, über Kunst und Künstler zu lesen. Es schien mir stets so, dass die Künstler ein besonders interessantes Leben führen, und die meisten hatten es auch, egal, ob es ein nach außen getragenes Leben war oder „nur“ das innere Leben. Und vielleicht scheint ihr Leben von außen gesehen gar nicht so außergewöhnlich zu sein, aber die affektive Erfahrung und die Art, wie sie die Welt in sich aufnehmen, ist außergewöhnlich. Und dieses Aufnehmen sehen wir in ihrem Werk. „If you could say it in words, there would be no reason to paint“ (Wenn du es in Worten ausdrücken kannst, dann gibt es keinen Grund zu malen), sagte Edward Hopper. Ich glaube, dass die Art, in der die Künstler die Welt sehen, immer außergewöhnlich ist. Wirklich – immer. Und ich beziehe mich nicht nur auf erfolgreiche oder berühmte Künstler. Ich beziehe mich auf alle Künstler. Ich glaube, sie haben einen zusätzlichen Sinn, der ihnen dazu verhilft, die Welt anders zu sehen, und die Wiedergabe dieser Vision in der Kunst bereichert uns alle.

Hinsichtlich der Gegenstände, die du aus Rumänien mitgebracht hast, als du hergekommen bist, was hast du gewählt, um es mit bzw. bei dir zu haben?

Ich habe, außer den persönlichen Dingen, nur Gegenstände gewählt, die einen sentimentalen Wert haben. Ich hatte und habe den Luxus, ein pied-àterre behalten zu können, wie die Franzosen sagen, ein „Zuhause“ in Rumänien, im Haus meiner Eltern in Iaşi (Jassy), so dass kein Druck bestand, eine Wahl zu treffen, in einer selektiven Art und Weise denken zu müssen, was ich mitnehme oder nicht, was ich mitnehmen darf, was ich mitnehmen muss. Ich hatte keine Einschränkung diesbezüglich und freue mich weiterhin, dieselbe Freiheit haben zu können, die Dinge von „Zuhause“  nach „Zuhause“ zu verlegen, auf einige Dinge, die ich hier, in Deutschland habe, zu verzichten und sie nach Rumänien zu verschicken oder mir Dinge aus Rumänien hierher, nach Deutschland zu bringen. Für mich bedeutet „Zuhause“ auch hier und auch dort, und weil ich dieses Privileg habe, verspüre ich nicht den Druck, selektiv, auswählend, sein zu müssen.

Kannst du uns etwas von den Ausstellungen erzählen, die du in der Vergangenheit organisiert hast?

Michael Lassel. Analoge Welten.

Vor kurzem habe ich an einem Wettbewerb für ein europäisches Programm teilgenommen und habe gezählt, wie viele Ausstellungen ich gemacht habe. In drei und ein halb Jahren habe ich fast fünfzig Ausstellungen organisiert. Es ist eine große Anzahl, ich habe nicht erwartet, dass es fünfzig sein könnten, ich dachte, es wären über dreißig, vielleicht vierzig – aber es waren fünfzig, in verschiedenen Orten, die meisten in Nürnberg, und nicht nur in der Galerie, sondern auch in anderen Räumen, in Bukarest, in Chisinau, in Brüssel, in Rom, in Bayreuth, in Schmerikon, in Berlin, in München. Fürwahr – in zahlreichen Orten. Dieses Jahr zeige ich zwei Ausstellungen in Braşov (Kronstadt), im Multikulturellen Zentrum der Universität Transilvania. Braşov ist eine Premiere auf der Liste der Orte, in denen ich ausgestellt und mitgearbeitet habe, und ich freue mich, jedes Jahr neue Orte hinzuzählen zu können.

Gabriela Bodin.

Es waren verschiedene Ausstellungen: Malerei, Bildhauerei – fast immer in Kombination mit Malerei oder Grafik -, Mix-Media, Installationen, Fotografie. Die meisten aber waren Malerei oder Grafik. Ich habe gegenwärtige rumänische Künstler vertreten oder solche, die ihre Wurzeln in Rumänien haben. Michael Lassel, als Beispiel, mit dem ich drei Ausstellungen hatte, in Nürnberg, in München und in Berlin, beim Rumänischen Kulturinstitut; er ist in Rumänien aufgewachsen, hat die Rumänische Kunstuniversität besucht, ist aber Deutscher und lebt seit 35 Jahren in Deutschland. Ursula Krauss, die ihre erste persönliche Ausstellung in unserer Galerie hatte, ist in Rumänien geboren, ist aber als Kleinkind zusammen mit ihren Eltern ausgereist, und ich kann nicht sagen, dass sie vom Künstlerischen und der künstlerischen Ausbildung her noch dem rumänischen Raum angehört – es besteht bloß eine sentimentale Verbindung: Rumänien ist ihr Geburtsort. Gabriela Bodin lebt in Italien, als italienische Künstlerin. Ihre Wurzeln sind in Rumänien, sie hat ihre rumänische Staatsangehörigkeit beibehalten.

Christian Lucian Hamsea, Der Lotusstein.

Christian Hamsea ist seit langem deutscher Staatsangehöriger, er besitzt eine doppelte Staatsangehörigkeit, hat auch die rumänische beibehalten, aber die künstlerische Ausbildung hat er in Deutschland genossen. Er gehört im gleichen Maße dem deutschen wie auch dem rumänischen kulturellen Raum an. Horia Vancu hat die Kunstuniversität in Bukarest abgeschlossen, er entstammt einer Familie, die der rumänischen Kultur viel gegeben hat, selbst wenn er ein deutscher Künstler ist und seit vielen Jahren dem Bayerischen Künstlerverband angehört. Er hat sich als Künstler in Deutschland behauptet, allerdings ist seine künstlerische Ausbildung  rumänisch und sein letzter Auftritt in einer Ausstellung war die Kunstbiennale in Arad – er nimmt gern an Ausstellungen in Rumänien teil.

Horia Vancu: Licht und Landschaft.

Wie du siehst, ist die Bandbreite von Künstlern, die ich vertrete oder mit denen ich arbeite, sehr groß. Es sind nicht nur Künstler, die in Rumänien geboren sind, in Rumänien ausgebildet wurden, dort gelebt haben oder dort leben. Anamaria Avram, die ich heuer ausstelle, lebt in Leipzig. Die nächsten Künstler, Melita Biber-Nuţă  und Doru Nuţă, leben in Nürnberg. Sie kommt aus Serbien, er kommt aus Rumänien, siehst du, es ist sehr unterschiedlich.

Jürgen van Buer ist kein Rumäne, aber im Fokus seiner Ausstellungen steht Rumänien. Ebenso geschieht es mit einer deutschen Künstlerin, Gabriele Rottweiler, die ich in München ausgestellt habe; sie hat eine ganze Reihe von Kunstfotos in verschiedenen Großstädten der Welt aufgenommen, darunter auch in Bukarest, und hat die mit Bukarest verbundene Fotoserie in München, beim Rumänischen Generalkonsulat, ausgestellt.

Melita Biber-Nuță, Inside-Out.

Sie ist keine Rumänin, hat aber ein Thema gewählt, das mit Rumänien in Verbindung steht. Ich habe auch deutsche Künstler ausgestellt, die weder eine kulturelle noch eine thematische Verbindung zu Rumänien hatten oder haben, die aber sehr gut mit jenen rumänischen Künstlern, die ich ausgestellt habe, „kongruieren“. Und ich möchte weiterhin solche Ausstellungen machen, weil so etwas das Publikumsinteresse steigert, Interesse, das ich nicht nur auf die Rumänen beschränkt haben möchte oder auf Deutsche, die ihre Wurzeln in Rumänien haben, sondern auch auf Personen, die ausdrücklich an der rumänischen Kunst interessiert sind.

Von den Künstlern aus Rumänien, die hier ausgestellt wurden, kannst du uns ein paar Namen verraten?

Constantin Tofan mit Cristina Simion.

Es sind ein paar sehr interessante Künstler, die hier ausgestellt haben und nicht nur hier. Sorin Purcaru, Bildhauer und Grafiker, hatte eine Ausstellung hier, in Nürnberg, eine in Bayreuth, zusammen mit unserer Galerie, eine Gruppenausstellung in Brüssel und eine in Chisinau; Constantin Tofan, Maler und Professor an der Kunstuniversität in Iasi (Jassy), hat zweimal hier ausgestellt, einmal in Verbindung mit dem jährlich in Nürnberg stattfindenden Rumänien-Festival, aber auch in Bayreuth und Schmerikon; Marcel Lupşe, Gabriela Drânceanu, Bildhauerin und Grafikerin, Rudolf Kocsis, Bildhauer und Professor an der Kunstuniversität Timisoara (Temeschburg), Stefan Pelmuş, Felix Aftene, Inhaber des kürzlich vergebenen Preises für Malerei des Rumänischen Verbands Bildender Künstler. Vasile Tolan ist einer der Künstler, die vom hiesigen, an abstrakten Ausdrucksformen gewohnten und Farben liebenden Publikum hoch geschätzt wurden. In seiner Ausstellung reihte er auch ältere Arbeiten in die Serie neuerer Werke mit kräftiger Chromatik ein. Ich habe dir nur ein paar Namen genannt, es sind viele Künstler, die, aus Rumänien kommend, hier ausgestellt haben.

Du hast eine lange Liste, was die Zusammenarbeit angeht…

Vasile Tolan. Die Subjektivität der Materie. Mit Emil Cira.

Allzu lang ist sie nicht. Mit einigen Künstlern habe ich mehrmals zusammengearbeitet, mit anderen wiederum nur einmal. Es gab eine Zeit des Suchens, die für eine Galerie, die am Anfang ihres Weges steht, völlig normal ist. Ich versuche mich auf Künstler zu beschränken, mit denen ich übereinstimme – nicht nur, was ihre Kunstrichtung oder ihre Kunstform betrifft, sondern auch in der Beziehung mit ihnen. Ich glaube, dass die Beziehung Künstler – Galerist sehr wichtig ist, manchmal gibt es eine Synergie, manchmal nicht, wie immer in zwischenmenschlichen Beziehungen. Was bleibt, ist mein Respekt vor den Künstlern, mit denen ich nicht übereinstimme, der Respekt vor ihrer Kunst und vor ihrer Persönlichkeit, und ich bin ihnen dankbar, dass sie mich in ihre Welt aufgenommen haben. Manchmal war ich traurig, als ich merkte, dass meine Bemühungen nicht geschätzt wurden, aber – passiert das nicht jedem von uns ab und an?

Doru Nuță, Inside-Out.

Wechseln wir ein bisschen das Thema: Was hat dich auf angenehme Weise überrascht, nachdem du umgezogen bist und deinen Wohnsitz in Deutschland eingenommen hast?

In Verbindung mit der Galerie hat mich die Haltung der deutschen Ämter überrascht. Die Unterstützung, die ich nicht bei den rumänischen Ämtern und Behörden erfahren habe – und ich habe mich mit mehreren Projekten in Rumänien beworben -, habe ich hier gefunden, im Nürnberger Rathaus, mit dem ich viel zusammengearbeitet habe, und sämtliche Erfahrungen waren überaus gut. Es gibt bei den örtlichen Ämtern eine klare, offene Haltung, ich möchte jetzt nicht von Ämtern oder Behörden auf Landes-oder Bundesebene sprechen, weil ich noch nie eine solche Zusammenarbeit auf hohem Niveau hatte. Es gibt auf lokaler Ebene eine sehr offene Haltung allem gegenüber, was multikulturell ist, allem, was authentische Kunst bedeutet, es gibt eine offene Haltung auch gegenüber der Kunst, die aus Rumänien kommt; vielleicht haben wir auch das Glück, dass Nürnberg mit einer Stadt aus Rumänien einen Freundschaftsvertrag geschlossen hat, mit Braşov (Kronstadt). Braşov ist eine Stadt mit guten kulturellen Traditionen, und wir konnten gemeinsam sehr schöne Sachen machen, ich würde sogar sagen, denkwürdige Sachen, wenn dieses Wort nicht so schwulstig wäre. Das war eine sehr angenehme Überraschung, die ich nicht erwartet habe.

Darüber hinaus, war die Zusammenarbeit mit verschiedenen Vereinen und gemeinnützigen örtlichen Organisationen in Nürnberg eine positive Überraschung: Mit dem deutsch-rumänischen Kulturverein Romanima e,V, der mich in vielen meiner Unternehmungen unterstützt hat, mit dem Haus der Heimat, einer Organisation, die die zugewanderten Deutschen unterstützt, besonders jene, die aus Osteuropa ausgereist sind, und mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen. Es war wohltuend zu erfahren, wie aktiv diese Organisationen sind, wie schön sie die rumänische Kultur und auch die Kultur der aus Rumänien zugewanderten Siebenbürger Sachsen fördern, wie sie an der Wahrung alter Traditionen festhalten oder diese wiederbeleben wollen.

 

Aufgezeichnet von Elena Richard.

Übersetzung aus dem Rumänischen: Andrea Wisniowski.

 

Foto oben: Anamaria Avram, Daily Reveries, Kunstinstallation.

Die Fotos: Elena Richard

 

 

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