Brâncuși, ein unklares Bild für seinen inoffiziellen Sohn John Moore
Interview mit den Regisseur Ionuț Teianu über seinen neuen Dokumentarfilm Auf der Suche nach dem verlorenen Vater
John Constantin Brâncuşi Moore ist 81 Jahre alt und lebt in der Nähe von Paris. Der alte Mann, ein ehemaliger Fotograf des weltbekannten Cabaret – Hauses Crazy Horse, erinnert sich an die Einladungen, die er vor langer Zeit zu Veranstaltungen für Brâncuşi in Frankreich oder an anderen Orten der Welt, als einziger Sohn des Bildhauers empfangen hat. Auf seiner in London 1934 ausgestellten Geburtsurkunde steht bei Familienname – „Moore“ und bei Vorname – „John Constantin Brâncuşi“. Bei Mutter ist Vera Moore eingetragen und bei Vater – keine Eintragung. John Constantin Brâncuşi Moore wurde nie durch seinen berühmten Vater anerkannt, seine Mutter jedoch, die englische Klavierspielerin Vera Moore, war für Constantin Brâncuşi eine große Liebe.
Ionuţ Teianu, ein rumänischer Filmemacher, der seit 1991 in Paris lebt, arbeitet seit drei Jahren an einem Dokumentarfilm Auf der Suche nach dem verlorenen Vater, produziert durch Tudor Giurgiu.“Die ergreifendste Szene ereignet sich in Hobiţa, als John Moore und seine beiden Söhne ihre Cousins, Urenkel der Brüder von Brâncuşi kennenlernen. Für John Moore bleibt die Anerkennung durch die Kunst-Welt, jedoch nicht seitens des eigenen Vaters, ein großer Schmerz und ein Rätsel“, bemerkt Ionuţ Teianu. Der Filmprämiere über diesen Schmerz wird 2016 bei den Festspielen TIFF in Cluj vorgeführt.
Nicht einmal einen moralischen Nachlass hat John Moore von seinem berühmten Vater Constantin Brâncuşi erhalten. Wollte er auch nicht. John erscheint nicht in den Medien, hält sich vom Scheinwerferlicht fern, genauso halten es seine Söhne auch.
Cristina Hermeziu: Wie wurde John Constantin Brâncuşi Moore durch diese nicht anerkannte Vaterschaft beeinflusst?
Ionuţ Teianu: John wurde 1934 geboren. In seiner Jugend hat ihm seine Mutter, Vera Moore gesagt, dass sein Vater Brâncuşi ist und, dass dies zwischen ihnen beiden bleiben muss, ein Familiengeheimnis sei. Er ist auf diese Weise mit dem Verbot, aufgewachsen. Eines Tages, wollte seine Mutter in die Stadt gehen. „Ich fahre dich mit dem Wagen“, sagte ihr John. Er hat den Wagen vor der Werkstatt in der Rue Ronsin angehalten. Die Mutter ist ausgestiegen, hat an die Tür geklopft. Brâncuşi hat geöffnet – er war bereits ein betagter Mann. Es war das erste Mal, dass John seinen Vater gesehen hat. Sie haben sich gegenseitig angeschaut und das war alles. Brâncuşi wollte die Tür schliessen. In dem Augenblick, nahm John den Fotoapparat in die Hand und schoss ein Foto von ihm in der Tür – das Foto: ein Klischee, etwas unklar, in Bewegung. John findet das Negativ dieses Bildes nicht mehr, aber er sucht es noch. Ich zweifele nicht daran, dass er die Wahrheit sagt. Vielleicht, schlussendlich wird er dieses unklare Bild von Brâncuşi, dem Vater, wiederfinden.
Wie haben Sie den Sohn von Brâncuşi kennengelernt?
Ich habe John vor einigen Jahren kennengelernt, als er die Suche im Umfeld seines Vaters und seiner Wurzeln begann. Ich war davon fasziniert, einen Menschen von fast 80 Jahren, ehemaliger Fotograf der 30 Jahre lang für „Crazy Horse“ in Paris gearbeitet hat, zu sehen, der seinen Vater – den Menschen hinter dem berühmten Künstler entdecken will.
Wir würden erwarten, dass der (nicht anerkannte) Sohn einer Berühmtheit, vorhätte im Scheinwerferlicht zu stehen, eine Art rechtliche Anerkennung anfordern würde, damit er ein eventuelles Erbe rechtfertigen könnte – zumindest moralisch – in diesem Fall, die direkte Verwandtschaft mit Brâncuşi. Wie sieht die Persönlichkeit von John Constantin Brâncuşi Moore aus dieser Perspektive aus?
John hat diesen Zustand – des illegitimen Sohnes – akzeptiert. Er war nie an Geld interessiert, hat keine Schritte unternommen ihn zu beerben, weder 1957, beim Tod von Brâncuşi, noch 1997, beim Tod von Vera, seiner Mutter. Dies war für ihn jedoch eine schmerzende Angelegenheit und ich glaube, dass der Schmerz so groß war, dass er diesen weder ergründen noch wiederbeleben wollte. Dennoch, am „Lebensabend“, wie man so sagt, begann der Schmerz ihn zu beschäftigen. Er begann zwischen den Papieren seiner Mutter zu suchen. Er hat viele Briefe des regen Austauschs zwischen Vera und Brâncuşi gefunden. Er hat aufbewahrte Fotos von Vera gefunden. Auch einen „Prometeu“, den Brâncuşi, der Mutter geschenkt hatte, bevor er ihn aus Bronze herstellte, hatte er. Nach einem in Schweigen gehüllten Leben und der Duldung dieses Geheimnisses, hat John Constantin Brâncuşi Moore begonnen, im fortgeschrittenen Alter auf den Spuren seines Vaters zu wandeln: er war auf dem Montparnasse Friedhof, in der Werkstatt gegenüber dem Centre Pompidou, dann ging nach Rumänien. Im gegenwärtig vorbereitenden Dokumentar habe ich einen sehr emotionalen Augenblick eingefangen, der das Zusammentreffen mit den Verwandten von Hobiţa erfasst: es ist der Moment in dem John gemeinsam mit seinem jüngeren Sohn, der nun 37 Jahre alt ist, erkennen, ohne die Sprache zu sprechen, dass sie aus derselben Familie stammen.
Auf welcher Weise erwähnt er seine Mutter Vera Moore und ihre aus Liebe zu Brâncuşi getroffene Entscheidung hinsichtlich der Ablehnung der Vaterschaft?
John urteilt weder seine Mutter noch seinen Vater, andererseits versteht er sie nicht. Er möchte für sich die ganze Geschichte klären, wo nun nichts mehr abzuändern ist. John hat seinen Vater als Menschen mit allen seinen Widersprüchen entdeckt. Seine beiden Söhne, Brâncuşis Enkel, halten sich von alledem ein bisschen fern. Sie sind interessiert und helfen ihrem Vater dabei auf den Spuren ihres namhaften Großvaters zu wandeln, sie tun es jedoch aus ihrer Zuneigung zu John. Der Dokumentar, an dem ich seit drei Jahren arbeite, ist ein Langfilm von etwa 80 oder 90 Minuten. Die Prämiere findet 2016 bei TIFF statt. Es ist wirklich herzergreifend einen älteren Herren zu sehen, der nicht in der Presse erscheinen will, sich aber mit seinen Wurzeln beschäftigt und insbesondere seinen Vater, gerade, weil er ihn nicht anerkannt hat, verstehen will.
Auszug aus einem in der Zeitung Weekend Adevărul vom September 2015 veröffentlichten Artikel.
Kunst: Jane Adams
Übersetzung aus dem Rumänischen: Brigitte Mueller, Lighthouse Translations.
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